Gewässer beleben eine Landschaft. Wer wollte das nicht vom Rhein sagen, der zwischen Bingen/Rüdesheim und Koblenz eine der schönsten Flusslandschaften Europas geschaffen hat, die seit 2002 UNESCO-Weltkulturerbe ist?
Gewässer sind oft auch Lebensadern, als Verkehrswege wie auch als Wasserlieferanten. Sinkt ihr Pegel, reduziert dies den Lastentransport. Steigt ihr Pegel, gefährdet es die Schifffahrt und ab einem gewissen Stand auch das Leben sowie Hab und Gut der Anrainer. Die Gefahren lassen sich bis zu einem gewissen Maß kalkulieren, so dass meist rechtzeitig die nötigen Vorkehrungen getroffen werden können, bevor die Scheitelwelle des Hochwassers eintrifft.
Die Flutkatastrophe im Juli 2021 hat aber an der Ahr und anderen Flüssen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gezeigt, wie wenig beherrschbar und wie verheerend selbst kleine Gewässer wirken können. Umso wichtiger ist es, den Wasserstand im Auge zu behalten und Anhaltspunkte für Prognosen zu seinem Verlauf zu haben. Von den frühen Anfängen einer mechanisierten Pegelmessung am Rhein zeugt die Koblenzer „Pegeluhr“.
Aus dem 19. Jahrhundert sind in Koblenz noch eiserne Pegellatten erhalten, die halfen, den jeweils aktuellen Wasserstand – damals noch in preußischen Fuß (1 Fuß = 0,31385 Meter) – zu ermitteln. Es kam jedoch das Bedürfnis auf, den Pegelstand auch automatisch zu erfassen und leichter ablesbar zu machen. Heute ist es selbstverständlich, dass zum Beispiel der für den Mittelrhein entscheidende Kauber Pegel jederzeit ablesbar ist.
Ein Vorgänger dieser Pegelanzeigen steht am Koblenzer Pegelhaus am Konrad-Adenauer-Ufer. Die Firma C. B. Kappert in Bremen baute ihn 1887; die preußische Rheinstrombauverwaltung stellte ihn auf. Er erleichterte ihren Mitarbeitern das Ablesen des Wasserstandes, ist aber auch bis heute ein Blickfang der Passanten. Die Einheimischen erläutern gerne Menschen an ihrer Seite die Funktionsweise des Gerätes und helfen ihnen, den Pegelstand abzulesen. Die Bundesanstalt für Gewässerkunde nutzt heute einen anderen Pegel in Koblenz, aber die funktionsfähige „Pegeluhr“ versieht als Zeugnis der Gewässerkunde und der Rheinschifffahrt weiter ihren Dienst.
An die vergangenen Hochwasser erinnern vielerorts entlang der Flüsse Hochwassermarken. Schon aus dem Jahr 1651 kennen wir in Koblenz eine Hochwassermarke am Pegelhaus, dem früheren Rheinkran von 1611. Am 20. Januar 1651 stieg der Pegel des Rheins mit 9,71 Metern noch gering über die Hochwassermarke des Jahrhunderthochwassers vom 23. Dezember 1993, als der Strom auf 9,49 Meter am Koblenzer Pegel anschwoll. Die Hochwassermarken mahnen zur Vorsicht und helfen, den Anstieg des Pegels einzuschätzen.
Die Koblenzer „Pegeluhr“ hilft, die Entwicklung des Rhein-Wasserstandes dauernd im Blick zu behalten. An einem definierten Nullpunkt im Rhein befindet sich unter dem Pegelanzeiger eine Art Schwimmer, der die Mechanik des Anzeigers im Gehäuse bewegt, die wiederum die Stellung der beiden Zeiger verändert. Der etwas kürzere Zeiger mit nur einer kleinen runden Scheibe zeigt den Pegelstand in Metern und Zentimetern zur groben Orientierung. Der längere Zeiger, der noch eine zweite Scheibe am Ende trägt, gibt die Zentimeter genauer an. Auf unserem Foto erkennen wir so den Pegelstand von 3,26 Metern.
Die Form der „Pegeluhr“ erinnert an Möbelstücke und Standuhren des späten 19. Jahrhunderts, bis hin zur Aufteilung der Flächen in Felder, wie man sie auch von Schränken und Holzdecken der Zeit kennt. Dieses Dekor ziert das Gehäuse des Pegels, das die Mechanik in sich birgt. Auf einen profilierten Sockel gesetzt, verjüngt sich der eiserne Kasten der Mechanik nach oben und endet in einer profilierten Kämpferplatte
Die eigentliche Anzeige hat ein rundes Gehäuse mit Glasfenster, ähnlich einer Standuhr. Seitlich sind die Zwickel zwischen Unterbau und Anzeiger von geschwungenen Elementen eingefasst, die entfernt an Wellen erinnern.
Das Zifferblatt mit der Aufschrift „PEGEL KOBLENZ“ ist modern und erinnert an sachlich gestaltete Bahnhofsuhren oder Anzeigen im Cockpit eines Autos oder Flugzeugs. Deutlich weniger technisch und eher repräsentativ wirkt aber der preußische Adler mit der Krone, in den Fängen Zepter und Reichsapfel, der zentral in die Schauseite des Gehäuses eingesetzt ist. Bei aller modernen Technik sollten Geräte Ende des 19. Jahrhunderts nicht allzu technisch wirken. Die Design-Devise „Form follows function“ (Die Form folgt der Funktion), die sich im frühen 20. Jahrhundert mit der Moderne durchsetzte, spielte damals noch eine geringere Rolle.
Unter der Kämpferplatte hat sich der Erbauer „C B KAPPERT BREMEN“ in erhabenen Lettern eingetragen. Darunter steht das Baujahr „1887“. Mit diesem Gerät unterstrich das Königreich Preußen durchaus seine Modernität. Heute sind mechanische Pegelanzeiger dieser Zeit jedoch eine große Seltenheit.