Grußwort von Doris Leber, Mitgründerin und Ehrenvorsitzende des Freundschaftskreises Koblenz – Petah Tikva
Nach einer vorbereitenden Sitzung findet am 21.06.1989 im Bundesarchiv unter starker Beteiligung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens der Stadt Koblenz die Gründungsversammlung statt. Die israelische Botschaft entsendet die damalige Botschaftsrätin Judith Frost. In seinen Begrüßungsworten gibt der Vertreter des Hausherrn, der damalige Vizepräsident Prof. Dr. Kahlenberg, seiner Freude über die Wahl des Gründungsortes des Freundschaftskreises Koblenz - Petah Tikva Ausdruck: „Dort wo die Dokumente unserer unheilvollen Geschichte archiviert seien, werde nun ein Verein gegründet, der im Bewusstsein dieser Vergangenheit neue Verbindungen zum jetzigen Israel und konkret zu den Bürgern der Stadt Petah Tikva aufbauen will." Beigeordneter Gorschlüter vertieft diesen Gedanken, indem er sagt: „Verwaltungen leben zu sehr in reduziertem Denken. Partnerschaft muss durch einen freien Kreis, durch eine aktive Gruppe entstehen, deshalb brauchen wir dieses Instrumentarium des Freundschaftskreises als Ort der Vermittlung und Vernetzung von Beziehungen zwischen den beiden Städten.
In den ersten 10 Jahren unserer Vereinsarbeit haben wir intensiv daran gearbeitet, dass die Partnerschaft zwischen Koblenz und Petah Tikva endlich zustande kommt, was aus historisch bedingten Gründen nicht ganz einfach war und entsprechender Überzeugungsarbeit bedurfte.
Im 11. Jahr war es dann so weit: Im Juni 2000 besuchte eine Delegation von Stadträten und Funktionsträgern geleitet von Oberbürgermeister Dr. Eberhard Schulte-Wissermann, die Stadt Petah Tikva, um in einem Festakt die Partnerschaftsurkunde zu unterzeichnen und auszutauschen.
Dass diese Städtepartnerschaft nach 11 Jahren besiegelt werden konnte hängt sicherlich auch an den mithandelnden Personen. Hier sind zuerst Ayala Margalith und Jona Hatsor auf israelischer Seite zu nennen und auf deutscher Seite der ehemalige Leiter des Kulturamtes Klaus Röser, seine Mitarbeiterin Brigitte Finkemeier und der Kulturdezernent Detlef Knopp, sowie seine Vorgänger Dr. Ingrid Bátori und Hans-Peter Gorschlüter.
Die gegenseitige Sympathie der beiden Oberbürgermeister Itzik Ochayon und Dr. Eberhard Schulte-Wissermann ebenso die beeindruckende Rede von Professor Dr. Hofmann- Göttig, die er als neugewählter Oberbürgermeister bei seinem ersten Besuch in Petah Tikva anlässlich des 10-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft gehalten hat, sind eine wichtige Voraussetzung und eine gute Basis für eine lebendige und wachsende Partnerschaft.
Dem Freundschaftskreis war es stets ein besonderes Anliegen, dass in Koblenz ein Platz oder eine Straße den Namen unserer Partnerstadt erhalten würde. Dem damaligen Vorstandsmitglied Paul Kupp verdankt der Verein den Hinweis auf einen namenlosen Platz in der Innenstadt.
Anlässlich des Besuches von Bürgermeister Itzik Ochayon im Mai 2006 konnte der Platz gemeinsam mit Oberbürgermeister Dr. Eberhard Schulte-Wissermann, mit Stadträten, Vereinsmitgliedern und weiteren Koblenzer Bürgern feierlich seiner Bestimmung übergeben werden.
Beim Gegenbesuch der Koblenzer Delegation im April 2007 wurde im Beisein der beiden Oberbürgermeister und zahlreicher Stadträte beider Seiten der Koblenz-Platz in Petah Tikva eingeweiht. Der damalige deutsche Botschafter in Israel, Dr. Harald Kindermann, den wir anschließend in Tel Aviv besucht haben, hat uns versichert: „Es ist schon außergewöhnlich, wenn eine israelische Stadt eine Straße oder einen Platz nach einer deutschen Stadt benennt. Dann müssen zwischen den beiden Städten schon sehr enge und vertrauensvolle Beziehungen bestehen"
Ein ganz wichtiger Teil unserer Vereinsarbeit könnte mit „Informationen" umschrieben werden. Der Freundschaftskreis hat in den vergangenen Jahren immer wieder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Israel und Deutschland — z.B. den israelischen Botschafter in Deutschland Avi Primor, den Repräsentanten der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jerusalem Dr. Johannes Gerster, sowie deutsche und israelische Journalisten zu Wort kommen lassen, um deren Einschätzung über die jeweils aktuelle Situation im Nahen Osten, Israel und Palästina, in Erfahrung zu bringen und auf diese Weise in Koblenz bekannt zu machen.
Über die Sachinformationen hinaus war uns der kulturelle Austausch mit Bürgern aus Israel und Petah Tikva stets wichtig. So konnten in vielfacher Weise Künstlerinnen und Künstler aus Israel ihre Bilder und Skulpturen in Koblenz zeigen und die Unseren konnten ihre Arbeiten in Petah Tikva präsentieren.
Israelische und palästinensische Autoren erhielten in Koblenz eine Plattform und lasen aus ihren literarischen Werken.
In Zusammenarbeit mit dem Verein für Kammermusik konnten verschiedene Orchester aus Israel in Koblenz musizieren.
Gemeinsam mit dem Verein der Mendelssohntage veranstalten wir jährlich ein Konzert zum Europäischen Tag der jüdischen Kultur.
Eindrücke über Land und Leute erhielten viele Bürgerinnen und Bürger aus Koblenz und Umgebung, die mit uns eine der vielen Studienreisen nach Israel und natürlich auch nach Petah Tikva unternommen haben.
In bisher 26 Studienreisen haben sie Israel besichtigt und kennen gelernt. Ein ganz wichtiger Teil unserer Reisen galt den Menschen in Israel und vor allem in Petah Tikva, galt den Kontakten zu unseren Freunden und Besuchen bei Familien. So konnten Bande der Freundschaft neu geknüpft oder vertieft werde.
Unvergessen bleiben auch die Begegnungen und Gespräche mit Prof. Shalom Ben Chorin in Jerusalem und Prof. Zwi Weinberg im Moshav Kfar Haroeh.
Ein besonderes Anliegen des Vereins — für mich ein Herzensanliegen — ist der Jugendaustausch zwischen der Ben-Gurion-High-School in Petah Tikva und dem Bischöflichen-Cusanus-Gymnasium in Koblenz.
Vor 18 Jahren hat der Freundschaftskreis diesen Jugendaustausch in Gang gebracht und unterstützt ihn mit finanziellen Mitteln.
Naturgemäß liegt die Hauptarbeit des Jugendaustausches bei den Schulen. Hier sind zu nennen die Direktorinnen, Margalith Kedern, Revital Schapira und Sara Sagiv in Petah Tikva und die Lehrer Studiendirektor Hans Ternes und Oberstudienrat Hubert Huffer in Koblenz.
Beim Treffen der Schülergruppen beider Gymnasien in Deutschland besuchen sie gemeinsam das Konzentrationslager Buchenwald und beim Treffen in Israel besuchen sie gemeinsam die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem. Diese Treffen finden jährlich im Wechsel statt. Von ihren Lehrern werden die Schülerinnen und Schüler auf diese Begegnungen sehr ausführlich und umfassend vorbereitet.
Man kann diese Jugendarbeit durch die Schule nicht hoch genug einschätzen, wenn man bedenkt, welch böses Spiel die Neonazis betreiben, um mit ihren faschistischen, antidemokratischen Parolen Jugendliche zu beeinflussen.
Zu den Arbeitsfeldern unseres Vereins gehört zweifellos auch die Erinnerungsarbeit -Erinnerung daran, was zwischen 1933 und 1945 unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und dann im Verlauf des 2. Weltkrieges den Juden in ganz Europa von Naziverbrechern angetan wurde.
Jedes Jahr zum 27. Januar — Befreiung von Auschwitz — und am 9. November — Reichspogromnacht — aber auch zu anderen Terminen im laufenden Jahr, hat der Verein Zeitzeugen eingeladen, um ihnen Gelegenheit zu geben, aus ihrem traumatisierten Leben zu berichten.
Das Bundesarchiv in Koblenz und die Landeszentrale für politische Bildung in Mainz waren uns hierbei verlässliche Partner.
Beispielhaft für diese Zeitzeugen möchte ich nennen: Dr. Heinz Kahn, Vorsitzender der jüdischen Kultusgemeinde in Koblenz, Trude Simonsohn, Max Mannheimer und Arno Lustiger. Alle haben das Konzentrationslager überlebt.
Der Verein hat sich in all den Jahren bemüht, Kontakt zum Zentralrat der Juden in Deutschland herzustellen. Auf diese Weise kamen wichtige Vorträge von Ignatz Bubis, Dr. Michel Friedmann und Professor Dr. Salomon Korn zustande. In allen drei Begegnungen standen die besonderen Beziehungen zwischen Juden und Deutschen im Focus.
Eine Veranstaltung bezüglich der Erinnerungsarbeit möchte ich hier besonders erwähnen und hervorheben: Auf Empfehlung und Vermittlung durch den Freundschaftskreis hat das Jugendtheater Koblenz die Kinderoper „Brundibar" auf dem Fort Konstantin aufgeführt.
Einzigartig in der Welt wird diese Oper durch ihre Aufführungsgeschichte: „Brundibar" wurde 1943 im KZ Theresienstadt uraufgeführt von jüdischen Kindern, die dort interniert waren. Zwischen 1943 und 1944 sangen und spielten die Kinder die Oper 55-mal. Jedoch mussten die Rollen immer wieder neu besetzt werden, da viele der mitwirkenden Kinder in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurden. Nur wenige dieser Kinder haben das KZ überlebt. „Brundibar" ist das wohl tragischste Kapitel der Operngeschichte. Dieses Kapitel deutscher Geschichte darf nie in Vergessenheit geraten.
Auf der Mitgliederversammlung am 4. März 2013 habe ich den Stab als Vorsitzende an Frau Hilde Arens weitergereicht. Ich werde aber, solange mich noch meine Füße tragen, aktiv am Vereinsleben teilnehmen.
Ich hoffe und wünsche, dass der Freundschaftskreis Koblenz — Petah Tikva auch weiterhin seinen Beitrag dazu leistet, Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen den Menschen beider Städte zu fördern.